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Van Life: So lebt es sich wirklich als Dauerreisende

Es sieht aus wie ein utopischer Traum: Van Life. Das Leben in einem Van, Bus oder auch in einem Landrover. Jeden Morgen an einem neuen Ort aufwachen, spektakuläre Aussichten, Freiheitsgefühl pur.

Bilder und Videos auf den sozialen Medien zeigen die besten Seiten dieses ungewöhnlichen Lebensstils, der immer beliebter wird. Unter dem Hashtag #Vanlife finden sich unzählige Bilder und Videos von paradiesischen Orten, idyllischen Szenarien und glücklich anmutenden und perfekt gestylten Menschen.

Doch wie sieht der Realität wirklich aus? Lohnt es sich, Wohnung und festen Job aufzugeben um in einem Fahrzeug zu wohnen? Was sind die Vor- und Nachteile und was hätten die Reisenden gerne früher gewusst?

Abenteuer Stellplatz

Das vielleicht größte Abenteuer im Van Life ist die alltägliche Suche nach einem Stellplatz. Zwar klingt es verlockend, jeden Morgen oder zumindest jede Woche an einem neuen Ort aufzuwachen, doch die Realität sieht vor allem in der Touristensaison der jeweiligen Region häufig anders aus.

„Für genau solche Fälle gibt es glücklicherweise Apps wie PiNCAMP vom ADAC, auf denen man den nächsten Campingplatz ausfindig machen und gleich buchen kann“, sagt Christian Hellrung (pincamp.de). Doch nicht jede Region und jedes Land verfügt über solch einfache Portale oder gut vernetzte und freundliche Onlinegruppen, in denen Tipps ausgetauscht werden können. Ist in ungewöhnlichen Ecken des Globus unterwegs, kann es durchaus mal schwierig werden und Nächte auf Raststätten und Tankstellen sind keine Seltenheit. Wildcamping (wildes Campen) ist auch nicht in allen Ländern erlaubt oder möglich, auch wenn die Bilder auf den sozialen Medien anderes vermuten lassen.

Dazu kommt, dass laut dem Caravaning Industrie Verband Deutschland die Branche seit 2018 allein 58,9 Prozent mehr Neuzulassungen bei Reisemobilen verzeichnet. Je beliebter Vanlife und Campingurlaub, desto rarer werden allerdings auch freie Plätze. Einsame, besondere Orte, an denen man spontan halten kann, werden also immer weniger. Mit dem Gefühl von Freiheit, das man mit Van Life sucht und das die Bilder in den sozialen Medien suggerieren, ist das kaum zu vereinbaren.

Versteckte Kosten

Online findet man viele Versprechungen, wie viel günstiger es ist, in einem Fahrzeug zu leben. Mit den derzeitigen Mietpreisen macht dies auch auf den ersten Blick Sinn. Keine Miete, keine Nebenkosten, keine Möbel, keine Heizung, keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit. Doch wer in einem Fahrzeug lebt, tut dies auch nicht umsonst.

Die Anschaffung und der Umbau sowie die Ausstattung eines Gefährts, dass zu einem Wohnungsersatz werden soll, sind kostenintensiv. Dazu kommen das ständige Befüllen des Tanks, was bei den derzeitigen Spritpreisen und den oft älteren Vanmodellen durchaus ins Geld geht. Je nachdem, wo man unterwegs ist, zahlt man außerdem für Maut oder Vignette und Campingsplatzgebühren. Da man permanent an neuen Orten ist, hat man auch häufiger ungewöhnliche Kosten wie Eintritte, Abendessen und Souvenirs.

Vor allem bei älteren Modellen oder störanfälligen Gefährten, kann es schnell zu unerwarteten Problemen und Defekten kommen, die teilweise richtig ins Geld gehen und oft Spezialisten, besondere Werkstätten und Ersatzteile benötigen, die es nicht überall zu finden gibt, wie die YouTuberin Eva zu Beck bereits mit ihrer Odyssee in der Türkei mit ihrem Landrover Defender (welcher passender weise Odyssee heißt) dokumentiert hat.

Ein weiterer Punkt beim Thema Geld ist der, dass ein regulärer Job fast unmöglich ist. Er ist bei den Dauerreisenden auch nicht gewünscht. Man muss mit portabler Technik entweder remote oder selbstständig arbeiten. Ein Privileg, was nicht jeder hat.

Leben in einem Schuhkarton mit Rädern

Wer Ordnung liebt oder gar keine Routinen des permanenten Aufräumens besitzt, sollte sich gut überlegen, ob Vanlife wirklich das Richtige ist. Platz ist nämlich Mangelware. Einmal den Abwasch nicht gemacht, die Wäsche nicht gefaltet und die Ladekabel nicht sofort wieder verstaut und schon sieht es aus wie in einer Studentenbude nach der Erstsemesterparty. Das kann belasten. Vor allem, wenn man als Paar oder Familie dauerhaft im Van oder Camper lebt, wird es schnell kritisch. Durch den mangelnden Platz gibt es keine Privatsphäre und keine Kompromisse, wenn es um den Lebensraum geht. Alles muss funktionieren, es bleibt kein Raum für Egos und unnötige Extras.

Vanlifer müssen sehr viel Geduld mitbringen, da jedem Handgriff weitere vorausgehen oder folgen. Wer nach dem Bikini sucht, muss erst aufräumen, dann den Tisch hochklappen und das Bett auseinander bauen. Auch das kann auf Dauer anstrengend sein.

Auch Kochen kann je nach Gefährt durchaus eine Herausforderung sein. Romantische Lagerfeuer sind nicht jeden Abend möglich oder empfehlenswert und vor allem bei schlechtem Wetter, wenn das Fahrzeug nicht um die Umgebung als Wohnraum erweitert wird, wird es durchaus eng und das Improvisieren steht an der Tagesordnung.

Auch ein Badezimmer ist in den meisten Gefährten Mangelware. Zwar kann man mit Duschsäcken und Wasserspeichern für Notlösungen sorgen, doch an den meisten Tagen muss irgendwo eine Tankstelle oder ein Campingplatz aufgesucht werden, um sich die Zähne zu putzen und sich zu erleichtern.

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Warum sich dennoch so viele für ein Leben im Fahrzeug entscheiden

Doch warum entscheiden sich immer mehr Mensch trotz der Herausforderungen für diesen Lebensstil?

Einer der Gründe, weshalb dieser Lebensstil so beliebt ist, ist genau das: Er ist unbequem. Er ist anders, als das gewöhnliche Leben, was die meisten führen. Er lockt einen aus der Komfortzone und bringt einen an die eigenen Grenzen. Beziehungen und Familien stehen auf dem Prüfstand und auch die eigenen Macken treten sofort ans Tageslicht. In einer kapitalistischen Welt, in der die meisten Menschen mehr und mehr Besitz anhäufen, den sie nicht brauchen, müssen sich Camper und Vanlifer massiv auf das Nötigste reduzieren, denn der Wohnraum ist extrem limitiert.

Dazu kommt die Flexibilität und das Gefühl von Freiheit. Wer auf wunderschönen Straßen entlang fährt, gute Musik im Radio hört und die Welt im Slow Travel Modus entdeckt, wird unglaubliche Freude spüren. Gefällt es einem nicht, fährt man einfach weiter. Gefällt es einem gut, bleibt man, so lange man möchte. Man ist nicht gebunden und sich frei bewegen und dabei die schönsten Orte entdecken. Und selbst wenn alles schief läuft, seien es Pannen oder Nächte an Tankstellen, ist all das immer noch ein Abenteuer, von dem man eine spannende Geschichte erzählen kann. Und das ist es, was das Leben so lebenswert macht. Vanlifer haben genau das verstanden.